Während dem gemütlichen Morgenessen checke ich meinen Kalender und sehe einen Eintrag: “Kaffee und Mittagessen mit Amel”. Ich denke mir: ‘Cool… Heute wirds lustig. Amel ist eine nette Person. Das wird spassig…’
Gemütlich esse ich meine Morgenflakes fertig und döse noch ein wenig herum.
Plötzlich meint Papa zu mir:
“Du hesch doch höt no ‘Träffe met Amel’. Stooht zomindescht so i Dinere Iiladig…”
Meine noch halb schlaftrunkene Antwort: “Scho möglich. Ergendwenn am Nomitaag, odr?”
Paa: “Du hesch i Dinere Iiladig gschrebe: ‘Kaffee und Mittagessen mit Amel’. Ond d’Faahrplaaniiladig esch of di 09:06 z’Eschebach voore. Wennt das auso so wotsch mache, muesch etze d’Bei onder t’Aarme nääh…”
Mäc: “Heitere Cheib, muesch so stres… WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAASSSS?”
Mein Papa hat recht! Ich hab heute ein Treffen mit Amel.
Schwupps! Füsse In die Schuhe und looooos.
Papa ist so gütig und fährt mich auf den Bahnhof. Dort steige ich in den Zug und atme als erstes Mal tief ein und erfreue mich des Oxygeniums, welches beinahe zur Mangelware wird bei dem ganzen Gehetze.
In Luzern an- und gleichzeitig wieder etwas zu Atem gekommen nehme ich dann den 1er Bus Richtung Kriens, Obernau.
Pünktlich auf die Minute hält der Bus im Stampfeli an. Mir schwebt durch den Kopf:
‘MME muss bis zur Endhaltestelle fahren.’
Das habe ich mir gut eingeprägt.
‘Fahrsch eifach bes zor Ändhautestöu.’
Als sich dann der Bus vom Stampfeli in Bewegung setzt merke ich: ‘Zapristi! Zapristi! Ech hätti doo im Stampfeli usemösse!’
Ich entschliesse mich also dazu, in Obernau, Dorf, der Endhaltestelle, auszusteigen und noch einen kurzen Fussmarsch zu machen. Nach 15 Metern laufen, höre ich hinter mir die Zylinder der Türen des Busses zuzischen.
Ich drehe mich um und traue meinen Augen nicht! Zapristi hoch 74!! Jetzt fährt doch tatsächlich genau der Bus, aus dem ich gerade ausgestiegen bin, die gleiche Strecke wieder zurück! Dräcksbus! Elende, veregggte!!! Ich glaub mich tritt n Pferd oder mich laust der Affe oder so.
Nun gut… Ich wandere also zurück zum Restaurant Obernau und treffe dort sofort auf Amel. Mein Tag ist gerettet. Denn Amel nimmt mir meine 3-Minuten-trotz-oder-gerade-wegen-meiner-Schusseligkeit-Verspätung nicht übel.
Wir setzen uns auf die Terrasse und wir sprechen über unsere Erlebnisse. Sie beginnt in einer Euphorie von ihrem Erlebten zu erzählen und ich höre ihr minutenlang einfach nur zu.
Wir thematisieren, auf meinen Wunsch hin, als Erstes nochmals meine ersten “Fragile-Suisse für Junge”-Leitungsversuche. Nachdem mir Amel zuerst einige positiven Punkte nennt, spricht sie auch noch die verbesserungswürdigen Punkte an.
Mit grossem Interesse nehme ich ihr Feedback entgegen, denn sie teilt es mir sachlich und für mich verwertbar mit. Ein konstruktives Feedback. Sie spricht mir auch Mut zu und gibt mir wertvolle Tipps, wie einen strukturierten Ablauf vorzubereiten und mich nicht von meinem Plan abbringen zu lassen.
Sie ist überzeugt, dass mir das Projekt “Selbsthilfegruppe” das nächste Mal viel besser ergehen wird. Sie kann es auch nicht erwarten, bis der Oktober ins Land zieht und sie wieder alle sehen kann und wir unser nächstes gemeinsames Treffen abhalten werden.
Nach dem “geschäftlichen” Teil kommen die privaten Themen. Amel erzählt mir ihre Geschichte und ich staune nicht schlecht, als ich erfahre, dass ihr “Ereignis” erst zwei Jahre her ist.
Wir sprechen über unsere ZBA (Zentrum für berufliche Abklärung)-Zeiten und mir kommen während dem Erzählen und auch Zuhören einige Szenen wieder in den Sinn. Schon speziell, wenn man mit jemandem der Ähnliches erlebt hat sprechen kann. Irgendwie auch wohltuend, denn man sieht, dass man nicht ganz allein mit seinen Problemen dasteht.
Amel erzählt mir während dem Essen, dass sie nächstes Jahr im Hotel Restaurant Hergiswald ihren geschützten Arbeitsplatz antreten wird. Restaurant Hergiswald, Restaurant Hergiswald… Das kommt mir so bekannt vor…
Dann sehe ich es. Ahhh! Jetzt seh ich’s!! Das ist ja das Lokal oberhalb Obernau wenn man ins Eigental fährt…
Amel freut sich extrem auf diese neue Herausforderung. Ich freue mich gemeinsam mit ihr. Denn ich weiss, wie schwierig es sein kann, mit einer Hirnverletzung zu leben. Das macht das Leben nicht immer nur einfacher.
Auch die schönsten, gemeinsamen Stunden enden irgendwann und wir verabschieden uns voneinander.
Hocherfreut über dieses Treffen begebe ich mich nach Hause und checke auf der Heimreise meine Whatzups.
Siehe da! Ich habe einen Freund!
Sarah hat mir bereits am Vormittag ein Watzup geschrieben. Also nicht meine Sarah. Also nur indirekt “meine” Sarah. Nicht die Schwester meines Nicht-Bruder-Bruder-Bruders Hansi, sondern von meiner Jeweils-Am-Freitag-Morgen-Arbeitskollegin-Sarah.
Sie frägt mich an, ob sie mich kurz besuchen kommen darf.
Hmmm…
‘Göutet ächt die Aafroog noh?’, frage ich mich selbst. Denn seit der Anfrage ist bereits einige Zeit ins Land gezogen.
Und direkt anschliessend: ‘Hani ächt no gnueg Ressourcen, zom erneut öpper träffe?’
Und meine innere Antwort: ‘Jo, jooo. Da schaffemer scho no. Esch jo be mer deheime…’
Nach meiner Zusage lese ich ihr Whatzup nochmals und da steht:
“… ech wördi met de ‘KIDIS’ schnöu vorbii cho…”
Super Sach! Denke ich mir. Dann lassen wir den Tag gemütlich mit zwei Kindern ausklingen. Als dann ihr Full-Size-Car vorfährt, denke ich mir:
‘Ein bisschen too much! Hab gar nicht gewusst, dass Sarah so eine verschwenderische Ader hat… Für zwei Kids würde doch ein Fiat Cinqueschente genügen…’
Dann steigen ihre beiden Mädchen aus.
Dann steigt noch ein Bube aus.
Und zum Schluss nimmt Sarah noch einen ganz kleinen Knirps aus dem Wagen.
Vier Kinder! Das gibts nicht.
Und dann noch fast gleich wie bei uns Meiers… Einfach umgekehrt. Drei Mädchen und ein Bube. Bei uns sind es ja drei Buben und ein Mädchen. Und die Zwillinge sind auch mixed. Ein weiterer Unterschied zu uns Meiers. Es gibt demnach höchstwahrscheinlich keine Ordensschwester in Deiner Familie, Sarah.
Allerdings: Niemand kennt Gottes Plan. Und seine Wege sind unergründlich…
Wir trinken einige Gläser Wasser und schauen den KIDDIES zu, wie sie alle Spielsachen herausreissen und im ganzen Haus verstreuen. Sie spielen einige Zeit damit und plötzlich meint Sarah zu den Kindern:
“Etz müemer denn no uufruhme und de gömmer de langsam hei.”
Die Kiddies stoppen das Spielen und beginnen instantan aufzuräumen. Ich traue meinen Augen kaum. Waren wir auch so folgsam und lieb?
Nach dem Aufräumen verabschiedet sich Sarah mit ihren Kindern und macht sich auf nach Hause…
Tags darauf naht die Zeit von Bruder Bruder Andreas‘ Abschied. Wir besuchen nochmals eine letzte gemeinsame Messe im Kloster Eschenbach und Andreas verlässt uns für mindestens ein Jahr…
Jetzt wird es wieder stiller im Hause Meier.
Mit einem freudigen und einem trauernden Auge wissen wir Meiers beinahe nicht wie uns geschieht. Reicht unsere verbleibende Sakralität aus, um unser Heim mit genügend Göttlichkeit auszufüllen?
Ich denke ja! Mama betet ab jetzt für zwei, Papa wollen wir nicht überfordern. Der betet weiterhin für einen und ich werde einfach für Drei beten… Dann klappt das dann schon…
Spass beiseite!
Wir haben bis jetzt so viel gebetet wie wir konnten und werden auch in Zukunft so viel beten, wie jeder von uns vermag. Gott misst nicht weltlich. Gott ist göttlich und deshalb unfehlbar. Jetzt muss ich glaub ich Themenwechsel machen, sonst liest der SePäsese nämlich nicht mehr weiter…
Wir machen uns gegen Abend noch auf nach Oberwald um die schöne Herbstzeit und die ruhige Gegend dort zu geniessen und auch, um neue Energie zu tanken.
Am nächsten Morgen, wir schreiben den Samstag, 22. September 2018, fahren wir mit der kleinen Roten durchs Goms nach Fürgangen, um bei prächtigem Wetter eine Wanderung zur 280 Meter lange Brücke nach Mühlebach zu machen. In rekordverdächtiger Höhe von 92 Metern über der Lammaschlucht torkeln wir wie Betrunkene über die sich ständig bewegende Hängebrücke. Warum die Schlucht, in der der Rotten fliesst, Lammaschlucht heisst ist mir total schleierhaft, vielleicht heisst der Rotten hier ja Lammer?
Irgendwie merke ich, dass irgendwas nicht stimmt mit mir. Denn ich fühle mich richtig ausgelaugt, nach 60 Minuten leichter Wanderung, die uns unter Anderem an einen recht makabren Ort führt: zum Galgen in Ernen.
Wir besuchen nach kurzer Anstrengung eine der fünf Restaurationsmöglichkeiten in Mühlebach. Auch die Einwohner in Mühlebach müssen sich höchstwahrscheinlich nie streiten, denn pro Lokal sind maximal 15 Einheimische zugegen.
Im Restaurant Moosji geniessen wir äusserst leckere Käseschnitten und eine phantastische Aussicht auf das Bättlihorn.
Nach dem Essen beschliessen wir, Kaffee und Dessert im Cafe Amy’s Schafstube nahe der Hängebrücke zu geniessen. Dort haut es mich beim Versuch Platz zu nehmen voll von der Sitzbank. Vermutlich liegt mir der Käse zu fest auf, denn es haut mich direkt volle Kanne auf den Latz.
Wie immer: Kurz liegenbleiben, abwarten ob alles noch funktioniert und anschliessend Mama beruhigen, denn sie läuft voller Panik in meine Richtung und meint: “Iiieee, nei! Nit numal z’gliiche wie öi scho! “
Ich antworte: “Tschillig nää! Ech bliibe emmer ligge, zom luege, öbs mer nüüt gmacht hed… “
Dann Maa: “Getts Der demfall? Been ech froh dadrober. Ech wissti nit was mache soschtert met Dier! Äppe üf der Moont, oder wie d’Onnerwalliser sägunt: La Lünn, schiesse! Mier sone schrecke ga iijage!”
Nach der Horrorszenereie und dem feinen Dessert begeben wir uns zurück über die Hänebrücke und mit dem Zug nach Oberwald und ich ruhe mich kurz aus.
Anschliessend fahren wir nach Reckingen und schauen uns dort ein witziges Theater an: “Dfröuwä WG”.
Es handelt von einer Frauen-WG, bei welcher ein Platz frei geworden ist. Nun suchen die dortigen Frauen eine Nachfolgerin und stellen sehr strenge Auflagen an das neue Mitglied. Allein diese Auflagen zu hören im typisch walliserdeutschen Dialekt ist so was von komisch. “Schii müess folgendi Bedingige erfülle, soschtert chenne mier ensch das nit vorstellä:
1. Schii müess e “Schii” sii
2. Schii müess süüber sii.
3. Schii müess äppes chenne zahle
4. Schii müess im Hüshalt methäälfe
Als sich eine Interessentin und ein Gehörloser melden, geben ihnen die Frauen eine Chance. Der Gehörlose spricht kein Wort und irgendwas stimmt mit der Interessentin auch nicht. Der Zuschauer merkt sofort, dass die Interessentin eigentlich ein Interessent ist. Die Frauen der WG merken das nicht. Zu komisch!
Ein lustiges Stück in “echtem” wallisischem Deutsch gesprochen. Das allein macht das Stück so einzigartig und empfehlenswert.
Da Sonntag ist, beschliesse ich die heilige Messe zu besuchen. Mit Maa und Paa fahre ich nach Obergesteln und gehe dort in die Kirche. Ist noch witzig, erneut dem “Wallisischen” zu lauschen. Denn auch die Messe ist teilweise auf Originalwallisisch und dann wieder auf “Hochwallisisch”.
Nach der Messe fahren wir zurück nach Oberwald und besuchen mit Klaus “Buddha” im Gerental eine Baustelle des KW’s der EnAlpin AG. Er erklärt uns viele interessante Dinge, wie die Entstehungsgeschichte oder über all die Steine die den Bauherren vom Bund in den Weg gelegt wurden und dann auch noch einige Leistungsdaten und so weiter:
Nach der Besichtigung zieht uns der Hunger in die Nanzer-Stamm-Beiz. Das Furka. Dort essen wir ein phantastisches Menü. Einen Wildteller mit einem guten Fleisch vom Nierstück. Absolut der Hammer!
Nachdem wir unsere Wänste gefüllt haben, spazieren wir noch durch das idyllische Oberwald und ich stelle einmal mehr fest, dass meine zweite Heimat eigentlich ein Stück Paradies auf Erden ist.
Auf dem Rundgang treffen wir noch auf Toni, welcher mir auf wallisisch zu verstehen gibt, dass ich unbedingt wiedermal Langlaufen müsse.
Und dabei fuchtelt er wie wild mit seinen Händen und meint:
“Das müüüeschsch Düü wedermal versüeche das tüet Tier en nüi Wääld üüff glöb mer dass machemer wenn Düü z’näägschtesch Mal hie obena bescht ond ne Ferie bescht de gäämer de zäme ga probiere ech tüe de das gad no mit Dinere Mamma aalüege und de chonnt dass…” und so weiter.
Ohne Satzzeichen und Pausen redet der gute Toni auf mich ein und offenbart mir seinen Plan…
Wir werden schauen, mein lieber Toni. Eigentlich hast Du mich recht überzeugt und ich werde das glaube ich nächsten Winter tatsächlich mal versuchen…
Eine letzte Übernachtung in Oberwald und dann packen wir unsere sieben Sachen und verabschieden uns vom schönen Oberwald, wieder ab nach Hause…
Zum Abschluss meines Beitrags noch einige Määhäähs für meine beiden treuen Schäfchenfrauenblogbeitragsleserinnen:
Wir haben bereits eine Ordensschwester in der Familie…die Schwester Schwester von meinem Vater oder ist das jetzt meine Schwester-Tante?
Liebe Jeweils-Am-Freitag-Morgen-Arbeitskollegin-und-nicht-Schwester-Bruder-Bruder-Andreas-und-gleichzeitig-Zwillingsbruder-von-Kussischmuusi-Bruder-Schwester-Sondern-Eigene-Schwester-Tante-Haberin Sarah
Wirklich? Ihr seid demnach auch ein bisschen “heiliger” und kommt demnach auch ein bisschen einfacher in den Himmel 😛
Nein. Andreas vergib mir, denn ich weiss nicht was ich tue! Immer den Herrgott auf die Probe stellen!
Jetzt reichts dann!! 😉
Liebe Grüsse
Markus
sePäsese, müësch gnau läse, du chusch öi voor i dr gschicht.
Gratuliere Markus, köstliche wie Du Deine erlebnisse in Geschichten niederschreiben kannst.
Bravo, endlich wieder einmal einen sachlichen, gut geschriebenen Beitrag.
Solche Artikel lese ich immer wieder gerne…
…und vor allem, endlich wieder ein Beitrag, in welchem du mich NIE erwähnt hast!
Gruss sePäsese