Wir treffen uns in der Pfarrkirche und stellen uns für die Vorprobe auf. Diese verläuft wie im Bilderbuch. Wir starten mit dem “Willkommen Erlöser der Erden” ein paar mal erneut und singen es dann durch. So weit so gut. Jetzt gehts zu Luigi Gattis Schöpfungsmesse in A-Dur. Die Vorproben des Kyrie und Gloria verlaufen zügig und wir schreiten rasch zum Credo vor.

Beat beginnt und der Chor stimmt ein. Nach ein paar Takten gelange ich in einen tranceartigen Zustand. Ich schaue auf Beat und merke erst gar nicht, dass der ganze Chor aufhört zu singen. Beat dirigiert munter weiter. Dann hört auch das Orchester auf. Beat zeigt uns mit seinen Armen, dass wir aushalten sollen und… ich merke plötzlich: Da hört man ja gar niemanden mehr. Blick gen Beat. Er ist immer noch wie wild am Crescendo!!! anzeigen. Beat zeigt immer noch Crescendo! Die einzige Stimme, die noch tönt ist meine. Eine gefühlte Ewigkeit lang (in Wahrheit etwa 4.21 Sekunden) bin ich der Einzige, der macht, was sich Beat wünscht!
Ein Crescendo auf der Fermate!!!

Dann endlich… Beat winkt ab.
Erster Gedanke: ‘Luft!’ Zweiter: ‘Shit!! Was hesch etz doo…’
Beat unterbricht meinen Gedankenstrom mit einem lauten: “BRAVVVOOO! Genau soooo mösstits aui mache! Perfekt! Du hesch mer d’Proob grettet Markus, merci vöumou!”
Stille!
Eine Sekunde später ertönt mein ganz persönlicher Applaus aus dem Orchester.
Ich werd ein bisschen rot (das wurde mir zumindest im Nachhinein so mitgeteilt).
Nochmals zwei Sekunden später realisiere ich, dass mich Beat ja gerade voll gelobt hat. Ich drücke meinen durchtrainierten Brustkorb raus und wachse gefühlte 15 cm in die Höhe! Das ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk. Beat, ich verneige mich vor Dir und bedanke mich bei Dir. Du bist ein Goldschatz. Von Dir so ein Kompliment zu bekommen, ehrt mich sehr. Du bist der Beste und hast mir Weihnachten grad noch ein bisschen mehr versüsst…

Der Rest der Vorprobe (Sanctus, Benedictus und Anjus ;-)) fliege ich auf Wolke sieben vor Stolz… Wie eine Diva, die 20 Minuten lang die Zauberflötenarie “Königin der Nacht” gesungen hat:

Copyright Joe Käser
Copyright Joe Käser


Wir begeben uns in die Sakristei zurück und warten dort bis der Apell zum Aufstellen ertönt.

Immer noch voller Stolz begebe ich mich mit meinen Mitmusizierenden auf die Showbühne. Als erstes erblicke ich Philipp, das Musikgenie. Dann schwenkt mein Blick nach rechts. Meine Mama fuchtelt irgendwas mit ihren Armen rum. Ich kenne sie so gar nicht. Voll hyperig! Normalerweise hält sie sich eher ruhig… Mein Blick sieht bereits Kasp… Halt…
Nochmals zurück zur fuchtelnden Mama…
Jetzt erkenne ich ihren Hinweis… Sie gibt mir panisch mit einer unmissverständlichen Handbewegung zu erkennen, dass ich meinen obersten Hemdknopf zu machen soll.
So schnell habe ich glaubs seit dem Unfall nichts mehr kapiert… OK… Meine Mama hab ich auch seit damals nie mehr so panisch fuchteln gesehen.
Obersten Knopf zumachen und gleichzeitig Lächeln. Mache ich seit längerer Zeit und es funktioniert. Lächeln… Immer schön Lächeln.
Nun folgt das eigentliche Weihnachtskonzert. Es verläuft wunderbar. Es gibt eigentlich gar nicht viel mehr zu sagen… Immernoch im Rauschgefühl vom Lob Beats zehrend, meistere ich gemeinsam mit meinen Chorkollegen das Programm.

Nach dem Eingangs erwähnten “Willkommen Erlöser” von Johann Jeremias du Grain, welches wir grandios Performen, folgt das “Concerto Grosso in E-Dur” von Antonio Vivaldi, interpretiert von unserem Orchester. Wir dürfen uns ein wenig entspannen.
Nach etwa 15 Minuten Instrumentalmusik geht’s über zur Schöpfungsmesse. Wenn in der Vorprobe was schief läuft, ist das ein gutes Zeichen. Denn dann können wir uns sicher sein, dass während der Aufführung alles klappt wie am Schnürchen. Und so ist es dann auch. Bis zum letzten Takt des Agnus Dei verläuft unser Auftritt sehr erfreulich und beinahe fehlerfrei. Nobody ist perfekt. Mein Name lautet glaubs heute tatsächlich “Nobody”.

Nach dem Konzert gehen wir in den Löwen und es steht ein sehr grosszügiges kaltes Buffet für alle bereit. Hansi, Märie-K, Philipp, Rachel, Chaschpar, Franziska, Schiesserraffi, meine Mama, mein Papa und die anderen Chormitglieder inkl. Anhang stossen auf unseren gelungenen Auftritt an.
Meine Aktion in der Vorprobe bleibt die ersten paar Minuten Thema Nummer eins…  😳
Am Meisten stolz macht mich das Lob, welches Beat auch im Löwen nochmals an mich richtet: “Das hesch Phantastisch gmacht. Ton aagsonge, alli andere send wäg ond Du hesch ghebt ond de sogar no crescendiert!” Auch im Löwen Brust raus drücken. Nach dem Abkühlen meinerseits und auch vom kalten Buffet machen sich die ersten Sänger und Besucher langsam auf den Nachhauseweg. Bei uns Meiers dauerts noch ein wenig, bis der Kussi wieder auf Normaltemperatur ist…

Lieber Beat, ich möchte Dir auch hier nochmals herzlich Danke sagen für Deine lieben Worte. Es freut mich riesig, so ein Kompliment von Dir zu erhalten…

Weihnachtskonzert Kirchenchor Eschenbach

6 Kommentare zu „Weihnachtskonzert Kirchenchor Eschenbach

  • Sonntag, 2019-12-29 um  Uhr
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    Liebe Otti
    Merci vöumou för Dis Komplimänt.
    Wönsche Der aues Gueti för Dini Zuekonft ond loh Dech ned loh onderkriege…
    Liebi Grüess
    Markus

    Antworten
  • Freitag, 2019-12-27 um  Uhr
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    Liebi aui
    Er send Schätz… Messi vöumou üüch aune för die schööne Komplimänt…
    Liebi Grüess
    bes baud
    Markus

    Antworten
    • Sonntag, 2019-12-29 um  Uhr
      Permalink

      Lieber Markus
      Leider konnte ich eurem Weihnachtskonzert nicht beiwohnen.
      Nachdem ich nun aber deinen Bericht gelesen habe, bin ich schon fast überzeugt, dabei gewesen zu sein. Das ist so spannend und voller Begeisterung beschrieben.
      Super!

      Antworten
  • Freitag, 2019-12-27 um  Uhr
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    In cantus veritas, im Singen liegt die Wahrheit könnte man fast sagen nach dem Lesen deines wie immer köstlich geschriebenen Beitrages zu unserem Weihnachtskonzert

    Antworten
  • Freitag, 2019-12-27 um  Uhr
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    Lieber Markus,
    auch von mir herzliche Gratulation zum gelungenen Konzert. Ist wirklich spannend, deine so wundervoll formulierte Geschichte zur Chorprobe mit deinem “crescendierenden Solo” zu lesen – Kompliment.
    Zudem weiss ich jetzt auch, wem du immer zugelacht hast und warum du dann plötzlich dein oberstes Knöpfli “zueknüblet hesch” . Also von meinem Sitzplatz aus – hintere Mitte links, von dir her gesehen rechts – wäre mir nicht aufgefallen, dass dein Knöpfli nicht richtig sitzt. Aber singen kannst du – ob mit oder ohne Knöpfli auf oder zu. Liebe Grüsse und mach weiter so.
    Ammarie

    Antworten
  • Freitag, 2019-12-27 um  Uhr
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    Lieber Markus,
    Spannend zu lesen, welches Solo du bei der Vorprobe so bravourös gemeistert hast.
    Gratuliere dir!
    Singen kannst du wirklich richtig super –
    und machst damit Beat und dem Kirchenchor und den Zuhörenden eine grosse Freude. Und dir selber auch…???
    Herzliche Grüsse,
    Philippe

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