Am heutigen Tag, erlebe ich mehrere ganz verrückte Sachen. Ich nehme nach der Arbeit den Zug ins Tessin, genauer nach Massagno, um meinen SCB beim Spiel gegen SAM Massagno zu unterstützen. Ich geniesse die rasante Fahrt, durch den Tunnel meines Papa und staune ein weiteres Mal über diesen Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Papas Tunnel ist als achtes Weltwunder in die Geschichtsbücher eingegangen. Brustrausdrücken! Nicht jeder hat einen Papa, der ein Weltwunder erschaffen hat…
Ich komme in Massagno an und begebe mich in die Turnhalle des Clubs SAM Massagno.
SAM bedeutet: Società Atletica Massagno. Der Club heisst demnach ausgeschrieben: Società Atletica Massagno Massagno ?. Die spinnen die Tessiner, TOC, TOC, TOC!

Ich treffe auf Guido aus Eschenbach und wir nehmen uns vor, unseren SCB lauthals zu unterstützen. Die Tessiner sind wohl eingeschüchtert, denn wir übertönen sie lautstark mit unserem Gebrüll: “Let’s go Central, let’s go!”
Oder dann: “Defense! Defense! Defense!” wenn SAM am Ball ist. Von den Massagnesi hört man absolut nichts…
Wir spielen ein sehenswertes erstes Viertel und liegen nur zwei Punkte hinter Massagno in der ersten Pause. Dann folgt das zweite Viertel. Mein Team legt zu und spielt NBA-Style-Basket und gewinnt das zweite Viertel mit sieben Differenzpunkten. Halbzeitzwischenstand: Massagno 36 : 41 SCB.
Jetzt einfach Durchziehen und wenn die Tessiner einen Zweier werfen, einfach mindestens auch einen Zweier auf der anderen Seite machen, besser einen Dreipunktewurf und wir werden als Sieger nach Hause fahren…
Im dritten Viertel spielen wir in der Offense durchschnittlich: 18 Punkte SCB und in der Defense vor allem gegen Schluss miserabel: 28 SAM Massagno. Dreiviertelzwischenresultat: SAM 64:59 SCB. Jetzt heisst es im vierten Viertel so richtig Gas geben und das Ding nochmals drehen und einen verdienten Sieg nach Hause nehmen.
Wir feuern die Spieler zu zweit nochmals so richtig an. WIr gleichen aus, verlieren wieder einen Punkt, übernehmen die Führung, wechslen uns Kopf an Kopf ab mit Uncle SAM. Bis zur letzten Minute steht es SAM 79 – 77 SCB. Irgendwie noch sieben Sekunden oder so zu spielen.
Jetzt kommt mein Ricky Price zum Zug. Er sprintet los… Sechs, fünf…
Ricky bereitet den Wurf vor…
Vier…
Wirft von der Dreierlinie…
Und: PAMMM!!! Irgendwas scheppert und dann…
Der Dreier ist drin!!! Ich kann mich nicht mehr halten, springe auf und fange an wie wild rumzuhopsen und lauthals zu brüllen: “JAWOOOOOOLLLL!!!! Yeesssssssss! Mis Tiiiiiim hed gunne! Yesssss! Dasch zentralschwiizer Basket!!!”…

Abrupt holt mich die Realität ein: Blick zum Schirri.
Der macht wie von der Tarantel gebissen, eine Scherenbewegung vor der Schulter und…
Aus der Traum vom Sieg! Zapristi, zapristi, zapristi! Das scheppern war die Aufhängung des Korbes. Ricky streift vorher die Aufhängung des Korbes und trifft erst dann in den Korb. Vermaladeit! Er hat wirklich sehr sehr viel pech…
Rückblickend muss ich sagen: Zuviele Freiwürfe in den Sand gesetzt und riiiesen Pech am Schluss von Ricky.
Im Wissen darum, dass sich die Männer alle ins Zeug gelegt haben und uns zum Schluss wirklich das Pech verfolgt hat, wünsche ich den Spielern eine gute Heimfahrt und mache mich gemeinsam mit Guido auf nach Bellinzona.

Dort begebe ich mich auf den Bahnsteig meines Zuges zurück nach Luzern.
Auf dem Steig treffe ich auf einen netten Typen. Wie ich bin, beginne ich mal ein Gespräch mit ihm. Ich gebe mein bestes Schulfranzösisch und stelle meinem Gegenüber irgendeine Frage in der Sprache der Liebe. Denn wir sind ja schliesslich an einem Ort, wo nicht Deutsch gesprochen wird. Drum Französisch. So sprechen scheints alle, die nicht Deutsch können. Französisch ?…
Er beantwortet meine Frage natürlich auf Französisch und ich verstehe Gare Terminus. Irgendwie hilflos schaue ich mich um und brable irgendwas auf Schwiizerdüütsch. Kaum gesagt erhalte ich eine Antwort vom Gegenüber. Und zwar in beinahe astreinem Adliswiilisch.
Wir dorfen ein wenig und ich erfahre, dass er Chemiestudent ist und seine Doktorarbeit am Verfassen ist und er heute kurz nach Italien gefahren ist und sich nun auf dem Rückweg befindet.
Meine Aufmerksamkeit richtet sich kurz auf die Anzeigetafel unseres Zuges:

Zugsinformationstafel auf italienisch
Zugsinformationstafel auf italienisch

Weiss nicht, ob mans lesen kann… Da steht: Ritardo Imprecisato.
Ich schaue mich hilfesuchend, zu meiner neuen Bekanntschaft um und stelle fest… Ich kenne nicht mal seinen Namen. Ich teile ihm meinen Namen mit und er nennt mir den Seinen: Timo.
Das Geschehen hat bereits eine recht apokalyptische Stimmung hervorgerufen. Zu den Fragen wie: ‘Chomi ächt no hei höt? Wo pfuusi, wenn need? Akzeptiered die Hotels ächt Twint? Soscht chani jo d’Rächnig wahrschiinlech gar ned zaahle ?’, meldet sich ein zusätzliches Dilemma: mein Magen macht so Geräusche und informiert mich langsam, dass ich schon länger nichts mehr gegessen hab.
Ich sage zu Timo in meiner Art: “Ha honger wine Muni!”
Da nimmt Timo ein letztes Slice seiner übrig gebliebenen Pizza di Funghi und hält es mir hin. Beinahe gierig schnappe ich mir das Pizzastück und beisse genüsslich rein. Dankbar über die perfekte Zwischenverpflegung, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Zugsabfahrtstafel und stelle fest: die Tafel zeigt seit Neustem 13 Minuten Verspätung an.
Ein leicht mulmiges Gefühl kommt auf beim Gedanken daran, dass meine S9 in Luzern um 00:10 das letzte Mal fährt. Nachher fährt erst wieder der Pyjama-Express, um weiss nicht welche Uhrzeit und das wäre suboptimal, da ich morgen eine wichtige Chorprobe habe.
Sorgen bereitet mir wenigstens der Hunger nicht mehr und ich verspeise den Rest meiner Pizza.
Nach typischer CH-Pünktlichkeit fährt der Zug mit exakt 13 Minuten Verspätung ein und wir steigen in den Zug und machen uns in einem Zugabteil breit:

Timo und MME
Timo und MME

Wir erzählen einander noch ein wenig und er erklärt mir irgendwas Chemisches. Zur besseren Veranschaulichung, nimmt Timo eifrig ein A0-Chemieposter aus seiner Tasche und wir rollen es gemeinsam mitten im Korridor des beinahe leeren Zuges aus. Eine private Chemielektion vom Doktorand Timo. Ich fühle mich geehrt, liber Timo… Ich verstehe zwar bereits nach dem dritten Begriff auf dem Poster erneut nur noch Bahnhof…
Gleichzeitig fühle ich mich geehrt, dass Du Dir die Zeit nimmst, mit mir zu dorfen und Deine Studienergebnisse mir präsentierst. Eine private ETH Vorlesung auf dem Heimweg von meinem nicht so glücklich verlaufenen Basketspiel aus dem Tessin… In Rotkreuz verlässt Timo den Zug und reist noch weiter. In Luzern angekommen muss ich sogar noch auf meine S9 nach Eschenbach warten. Da sieht man, wie effektiv das achte Weltwunder doch ist und die Fahrzeit mit Leichtigkeit wieder eingeholt werden konnte im Tunnel meines Papa. Danke, lieber Papa.

Vielen Dank auch Dir lieber Timo für die absolut faszinierende, lehrreiche und kurzweilige Zugfahrt.

Mein SCB und das achte Weltwunder

2 Kommentare zu „Mein SCB und das achte Weltwunder

  • Mittwoch, 2020-02-12 um  Uhr
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    Rührend das Lob auf Papa – in Form gar einer Inklusion!
    Wann gehst du zu den Sport Moderatoren?
    Einfach super – wie immer!

    Alberich

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  • Sonntag, 2020-02-09 um  Uhr
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    danke für die Komplimente. Der Zug hat im GBT fast sicher im Abschnitt Sedrun die Verspätung von 13min aufgeholt, bei den anderen Abschnitten war ich ja nicht mit meinen übermässigen Kräften am Werk!! Dank der Bekanntschaft mit dem Alchemisten Timo ist die Fahrt von Bellinzona nach Rtkreuz sicher wie im Flug vergangen.
    Haben die Ticinesi ihrem Club wirklich nicht zugejubelt? Schade dass der SCB verloren hat, hoffen wir auf ein nächstes Spiel.

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